Die feministisch Kunst als Bewegung trat erstmals Anfang der 1960er während der zweiten Welle der Frauenrechtsbewegung in Erscheinung. Feministische Künstlerinnen und Künstler nahmen sich weltweit zum Ziel, die Grundfeste und Wahrnehmung zeitgenössischer Kunst neu zu definieren. Die Strömung inspirierte zu Veränderungen, prägte neue kulturelle Ansichten und transformierte die Rollen der Geschlechter in der Kunst.
Wann entwickelte sich die feministische Kunst?
Die feministische Kunst als Bewegung entwickelte sich in einer Zeit enormer kultureller Umwälzungen. Die 1960er waren die mitunter turbulenteste und spaltendste Dekade in der Geschichte – mit Bürgerrechtsbewegungen, dem Vietnamkrieg, Protesten und politisch motivierten Attentaten. Für viele war es eine notwendige Zeit der Veränderung und Erneuerung.
Mit dem Essay „Why Have There Been No Great Women Artists?“ (Warum gibt es keine großen Künstlerinnen?) von Linda Nochlin wurde 1971 ein fundamentaler Wandel losgetreten. In dieser Niederschrift werden die gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Umstände kritisiert, die Frauen daran hindern, denselben Status und Rang wie ihre männlichen Kollegen zu erreichen.
Die Bewegung der feministischen Kunst wollte die lange gehegten soziokulturellen Perspektiven mit den Mitteln der Kunst umkehren, um Vorurteile auszuräumen und einen neuen Dialog über die Erfahrungen von Frauen zu prägen. So eröffnete die feministische Kunst neue Chancen und Räume, die weiblichen und Minderheiten angehörenden Künstlerinnen weltweit zuvor nicht zugänglich waren.
Was macht feministische Kunst aus?
Das einende Ziel feministischer Kunst ist es, Frauen einen Ort für die frauenorientierte Repräsentation zu geben und die Auslassung von Frauen und ihrer Errungenschaften in der Kunst und darüber hinaus zu offenbaren. Feministische Künstlerinnen und Künstler wollten sich aktiv dagegen wehren, dass die westliche Kunst lediglich gesellschaftlich verankerte Geschlechterbarrieren reproduziert.
Da es bei dieser Bewegung um die Überwindung von Grenzen ging, verwundert es kaum, dass die feministische Kunst durch kein einzelnes Medium und keine spezielle Stilrichtung definiert wird. In den 60ern machten sich feministische Künstlerinnen und Künstler eine eklektische Vielfalt an alternativen und zuvor vernachlässigten Materialien zu eigen. Diese standen oft in Verbindung zur Genderpolitik und Vorstellungen rund um die Erfahrungen von Frauen.
In der Vergangenheit von Männern wenig beachtete Medien wie Performancekunst, digitale Medien und Textilien rückten in den Mittelpunkt. Bis zu den 60ern hatten Männer das Monopol über die hierarchische Einteilung von „hoher“ oder „niedriger“ Kunst. Daher entschlossen sich feministische Künstlerinnen und Künstler, keine Medien mit patriarchalischem Stempel zu nutzen, sondern sich mithilfe unorthodoxer Mittel auszudrücken.
Die Rückeroberung des kunstgeschichtlichen Kanons
Feministische Künstlerinnen und Künstler verwendeten nicht nur innovative und ungewöhnliche Mittel, sich selbst auszudrücken, sie wollten die Kunstgeschichte neu schreiben. Die Künstlerinnen und Künstler kritisierten die Abwesenheit von Frauen im kunstgeschichtlichen Kanon weltweit und versuchten, die männliche Vorherrschaft in der historischen und kulturellen Dokumentation stürzen.
Ein bahnbrechendes Kunstwerk der Bewegung war „The Dinner Party“ (1974) von Judy Chicago. Die ikonische Installation ließ Frauen, die in der Kunstgeschichte Pionierarbeit geleistet haben, die lange überfällige Würdigung zukommen (z. B. Frida Kahlo, Lee Krasner und Gertrude Stein). Chicago entwarf eine Festtafel an einem dreieckigen Tisch mit 39 Gedecken jeweils zu Ehren einer einflussreichen Frau in der Geschichte. Unterhalb des Tisches sind in einer Goldinschrift die Namen von weiteren 999 bedeutsamen Frauen verewigt. Heute wird die Ausstellung (im The Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art) immer wieder aktualisiert und um neue feministische Stimmen ergänzt, um den Kampf für Geschlechtergleichheit zu stärken.
Aus dem furchtlosen Experimentieren feministischer Künstlerinnen und Künstler wurde eine neue Definition für die bildenden Künste geboren. Mit dem Aufkommen der Inklusivität – nicht nur in Bezug auf Materialien, sondern vielmehr auf neue Sichtweisen – öffneten sich die Tore zu einer neuen Welt der Kunst. Die Bewegung der feministischen Kunst ebnete den Weg für nachfolgende künstlerische Initiativen wie die Identitätskunst und die Aktivistenkunst der 1980er Jahre.
Feministische Künstlerinnen der jeweiligen Jahrzehnte
Miriam Schapiro
In den 1970ern erfand Miriam Schapiro den Begriff „Femmage“ für Kunstwerke, die Stoffe und andere Textilien kombinierten. Alles, was in der Geschichte in die Niederungen der weiblichen Handwerkskunst verbannt wurde, wie Nähen, Sticken, Schneiden, Verzieren und Kochen, wurde damit auf ein Podest gestellt. Schapiro erklärt die „Frauenarbeit“ zu einer relevanten und bereichernden Erweiterung der „hohen“ Künste.
Die Guerrilla Girls
Während der 1980er Jahre kritisierte das feministische Kunst-Kollektiv namens „Guerrilla Girls“ die Verbreitung weiblicher Aktbilder im westlichen Kunstkanon und forderte eine gleichberechtigte weibliche Repräsentation. Die Kooperative formierte sich als Reaktion auf die Ausstellung „An International Survey of Recent Painting and Sculpture“ des MoMA im Jahr 1984. Unter den 169 ausgestellten Künstlern waren nur 13 Frauen. Die Guerrilla Girls folgten den Fußstapfen von Street-Art-Künstlern und Aktivisten und bedienten sich grafischer Poster, Typografien und Drucke für ihre Kampagnen. Dafür kaperten sie auch häufig Anzeigenflächen in New York.
Barbara Kruger
Die amerikanische Konzeptkünstlerin und Collagistin Barbara Kruger erschafft fesselnde, großformatige digitale Installationen und Fotografien. Mit der provokativen grafischen Darstellung von Themen wie Autorität, Identität und Sexualität in ihren Arbeiten kritisiert sie die Einflusskraft der Massenmedien. Durch den Einsatz von Überlagerungstechniken und kursiven Slogans befasst sich Kruger mit der Identitätspolitik, die unserer Gegenwart zugrunde liegt.
Sarah Lucas
Auch während der gesamten 90er Jahre nutzten feministische Künstlerinnen und Künstler weiterhin angeblich weibliche Materialien, um den sexistischen Subtext zu entblößen und gesellschaftliche und politische Normen kritisch zu hinterfragen. Sarah Lucas, ein Mitglied der Young British Artists der 1990er, spielt in ihren Collagen und Installationen, wie der Sexpuppenserie „Bunny Girl“, mit aufmerksamkeitsstarken visuellen Metaphern und beißendem Humor.
Louise Bourgeois
Während ihrer gesamten, acht Jahrzehnte umspannenden Schaffenszeit befasste sich die französisch-amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois (1911–2010) mit schwierigen Themen rund um Sexualität, Einengung und den weiblichen Körper. Obwohl sie kein eindeutiges Mitglied einer bestimmten Kunstströmung war, sicherte Bourgeois den Frauen dennoch einen stolzen, unbeugsamen Platz in der Kunstwelt. Ihre frechen Phallus-Skulpturen, gigantischen Mutterspinnen und die hysterischen Hängeinstallationen werden die Geschichte prägen.
Zeitgenössisch feministische Künstlerinnen, die man im Blick behalten sollte
Die Bewegung der feministischen Kunst ist alles andere als beendet. Zeitgenössische feministische Künstlerinnen spielen im unvollendeten Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter und Bürgerrechte nach wie vor eine bedeutsame Rolle.
Was es bedeutet, eine Frau zu sein – dieses Thema wird von den folgenden feministischen Künstlerinnen beleuchtet und erhöht. Sie nutzen ihr künstlerisches Talent, um die Unterdrückung durch das Patriarchat zu bekämpfen.
Alexandra Gallagher
Die multidisziplinäre Künstlerin Alexandra Gallagher wird inspiriert von den Erfahrungen von Frauen in der westlichen Gesellschaft. Ihre surrealistischen Drucke und Gemälde versieht sie mit einem subtilen politischen Unterton. Mit ihrem opulenten, eleganten Stil und der kraftvollen, floralen Ästhetik ergründet und feiert sie die Definition von Femininität.
Joe Hesketh
Die Avantgardistin Joe Hesketh ist bekannt für ihre grenzüberschreitenden abstrakten Gemälde, die unsere inneren Dämonen offenbaren. Ihre Porträts zeugen von einer Faszination für das Groteske und Übernatürliche und sie bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen Humor und Tragödie. Durch die selbstkritische Betrachtungsweise in ihren Bildern wird die stereotype Verletzlichkeit von Frauen ausgesetzt und ein Diskurs über die weibliche Psyche angestoßen.
Kirsten Lilford
Die südafrikanische Künstlerin Kirsten Lilford zeigt Schnappschüsse des häuslichen Alltags sowie Landschaften der Vorstadt und versieht sie mit einer ganz eigenen Note. Ihre realistischen Gemälde sind ein unheimlicher Lobgesang auf die häusliche Einengung und Familienpolitik.
Delphine Lebourgeois
In ihren Digitaldrucken und Illustrationen erfindet Delphine Lebourgeois den weiblichen Akt neu. Ihre nuancierte, fesselnde Kunst vereint traditionelle und moderne Einflüsse und Bildsprache und feiert darin die weibliche Individualität und Stärke.
Olivera Parlic
Die symbolträchtigen Kunstwerke der serbischen Bildhauerin Olivera Parlic stoßen einen Dialog über Frauenrechte im häuslichen Bereich an. Ihre originellen Objekte, wie Cactus (Kaktus), verfremden Haushaltsgegenstände und geben ihnen so eine neue, tiefere Bedeutung. Die Künstlerin befasst sich mit Themen rund um die sexuelle Freiheit und die konventionelle Häuslichkeit der Gegenwart.
Mikela Henry-Lowe
Die jamaikanische Künstlerin Mikela Henry-Lowe interessiert sich für die Repräsentation schwarzer Frauen in der Gesellschaft. Mit markanter Farbpalette und geometrischem Duktus setzen Henry-Lowes Porträt-Gemälde einen Gegenpol zur überwiegend negativen Darstellung schwarzer Frauen in den Medien.