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Grundlagen der Kunst

Was versteht man unter Jugendstil?

Beim Jugendstil, auch Art nouveau genannt, handelt es sich um eine exotische, dekadente und letztlich zeitgenössische Abkehr von künstlerischen Traditionen. Wir nehmen Sie auf keine kurzweilige Reise in die Entstehungsgeschichte des Jugendstils mit und erklären, was diesen ikonischen, progressiven Stil ausmacht.

Von Rise Art

Beim Jugendstil, auch Art nouveau genannt, handelt es sich um eine exotische, dekadente und letztlich zeitgenössische Abkehr von künstlerischen Traditionen. Die Vertreter dieser Strömung mieden den ausgelaugten, veralteten Historismus, der sich dem klassischen Architektur- und Designstil verschrieb, ganz bewusst. Sie wollten die Kunst revolutionieren und etwas Neues erschaffen – daher auch die Bezeichnung „neue Kunst“ bzw. Art nouveau.

Die Bewegung nahm während der 1890er Jahre stetig an Fahrt auf und breitete sich über die Landesgrenzen aus. Aus dieser Epoche gingen faszinierende und reizvolle Kunstwerke der Malerei und Bildhauerei sowie Metall- und Glasobjekte, Schmuck und Keramiken hervor, die auch heute noch zeitgenössische Künstler und Designer beeinflussen.

Hello Yellow (and Green), 2020 von Clare Halifax

 

Was macht Jugendstil aus?

Beim Jugendstil handelt es sich um eine spannende, schwungvolle Stilrichtung der bildenden Künste, die sich von den frühen 1890er Jahren bis zum ersten Weltkrieg erstreckte. Inspiriert von Pflanzenformen und der Natur, nahmen Jugendstilkünstler organische Gegenstände und verflachten oder abstrahierten sie zu eleganten, geschwungenen und fließenden Motiven.

Die Betonung auf geschwungenen Linien, geometrischen Formen, asymmetrischen Kompositionen und der kühnen Synthese von Struktur und Dekoration sind definierende Eigenschaften dieser Stilrichtung, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Tiagua, 2019, von Gareth Griffiths

 

Ein kurzer Überblick über die Geschichte des Jugendstils

Der Jugendstil entwickelte sich während einer Zeit des enormen technischen Fortschritts. Im Kielwasser der industriellen Revolution war die moderne Identität Europas geprägt von der Industrie und Massenproduktion. Die Bewegung begrüßte die industrielle Revolution, wehrte sich aber auch gegen sie. Man feierte die Handwerkskunst und künstlerisches Können, gleichzeitig ließ man aber auch die Automatisierung und Industrialisierung sowie stilisierte Elemente in die Kunst mit einfließen. In den USA war die Progressive Era ebenfalls in vollem Gange.

William Morris (1834–1896), einer der vielen Anhänger des Jugendstils – darunter auch Alfons Mucha, Gustav Klimt, Henri de Toulouse-Lautrec und Oscar Wilde – wird häufig als philosophischer Wegbereiter dieser Strömung genannt. Der für seine prachtvolle Neubelebung des traditionellen Kunsthandwerks weltweit umschwärmte Morris bemerkte, dass der Jugendstil dem Menschen Freude im Alltäglichen bringen sollte, also den Alltag mit einer neuen Ästhetik füllen sollte.

Der Überfluss des viktorianischen Zeitalters und seine schwerfälligen ornamentalen Elemente wurde von dieser Bewegung abgelehnt. Dementsprechend kam es zu einem furchtlosen Comeback der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung. Zugunsten eindeutig nationaler und organischer Geschmäcker entstand ein Meer aus anregenden Blumenblüten und schwungvollen Formen.

Untitled Landscape, 2020, von Edina Gulyas

 

Wo lagen die Ursprünge des Jugendstils?

Der Jugendstil war nicht auf eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort beschränkt, sondern erblühte in ganz Europa und den USA. Als einende und universelle Herangehensweise an die Kunst verband der Jugendstil die schönen Künste und die angewandte Kunst – vom Möbeldesign und der Architektur bis hin zu Buchillustrationen – um ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen.

Die Pariser Galerie Maison de L'Art Nouveau, damals im Besitz des einflussreichen Kunsthändlers Siegfried Samuel Bing, trug allerdings maßgeblich dazu bei, den Begriff zu verbreiten. Die Stilrichtung hatte neben dem „Art nouveau“ aber noch weitere Bezeichnungen, wie „Le Style Métro“, „Art Belle Époque“ und sogar „Le Style Moderne“. 

Gleichzeitig sorgte die Secessionsbewegung im österreichischen Wien für Aufruhr. Die Secessionsanhänger lehnten das konservative Kunst-Establishment in Mitteleuropa vehement ab. Die Wiener Avantgarde führte einen neuen, düsteren Stil mit flachen, dekorativen Mustern, Kontrasten und kontrollierten, herabstürzenden Linien ein.

Non-stop Cactus, 2019, von Michael Coppelov

 

Warum ist der Jugendstil so beliebt?

Wie die internationale Verbreitung des Jugendstils belegt, wurden die Hierarchien zwischen den Künsten erfolgreich niedergerissen. Indem sich die Bewegung gegen den zuvor dominierenden Neoklassizismus durchsetzte, hatten Künstler weltweit die Möglichkeit, das öffentliche Leben zu bereichern, insbesondere durch die Verbesserung des Designs von gewöhnlichen Räumen oder Haushaltsgegenständen.

In privaten Sammlungen war der Jugendstil ebenso vertreten wie an öffentlichen Orten, beispielsweise in Bahnhöfen, Cafés und Warenhäusern. Dies wiederum unterstreicht die einende, inklusive Natur des Jugendstils – eine Kunstrichtung, an der sich jedermann erfreuen kann. Die Bewegung behielt ihr Tempo und ihre Popularität bis zum ersten Weltkrieg, danach verlor sie an Schwung.

The Enchanted Forest, 2019, von Diana Rosa

 

Was ist der Unterschied zwischen Art déco und Art nouveau bzw. Jugendstil?

Was kam danach? Art déco und Jugendstil werden oft in einem Atemzug genannt. Die beiden Bewegungen unterscheiden sich jedoch nicht nur chronologisch sondern auch stilistisch. Der Jugendstil wird generell als erste moderne Kunstrichtung betrachtet, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts langsam herausbildete. Art déco entstand in den 1920ern, als die flammende Faszination mit dem Jugendstil nach und nach abebbte.

Im Gegensatz zur Vorherrschaft organischer Formen und floraler Themen im Jugendstil verkörperte der Art déco den industriellen Geist zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Art déco konzentrierte sich auf grobe, senkrechte Linien, verschlungene Muster und rechteckige Formen.

La Geria, 2018, von Gareth Griffiths

 

Jugendstil heute

Der Jugendstil war Wegbereiter der modernen Kunst und inspiriert auch heute noch zahlreiche Künstler. Mit einem Hauch von Street Art oder Abstraktion erweisen aufstrebende Maler und Druckgrafiker, wie Lowdown oder Clare Halifax, der Bewegung ihre Ehrerbietung.

Manche Kunstkritiker behaupten sogar, die Stilrichtung habe in den 60er Jahren und heute wieder, in den letzten 20 Jahren, ein Revival erlebt. Zahlreiche Künstler nehmen opulente, florale Motive und elegant geschwungene Linien in ihre Arbeiten auf. Vielleicht war der Stil auch nie ganz ausgestorben? Wie man sieht, entwickelt sich der Jugendstil auch heute noch weiter und erfreut sich epochen- und regionenübergreifend im Innendesign, in der Werbung und darüber hinaus anhaltender Beliebtheit.

What a Waterlily, 2017, von Clare Halifax

 

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